Unangenehme Wahrheiten: Von Limits und Verlusten
Werde ich jetzt geköpft, wie es früher war? In dieser Woche war ich wohl für einige meiner Klienten soetwas wie der Überbringer unangenehmer Wahrheiten.
Dabei ging es immer um ein Hauptthema: Enttäuschte Erwartungen, unerfüllte Hoffnungen.
Die liebgewordene Geschäftsidee, die auch nach Jahren noch nicht funktioniert, die Beziehung, die trotz aller Bemühungen in absehbarer Zeit wohl nicht so wird, wie erträumt und auch die anderen Themen, hatten eines gemeinsam: Da wurde schon lange viel investiert, seelisch und auch finanziell.
Und immer wieder war die Hoffnung da, mit einer kleinen weiteren Investition würde sich das Blatt nun endlich zum Guten wenden.
Meine Frage daraufhin: „Wenn Sie zurückschauen, wie oft sie hier schon gehofft haben, nun wäre der Erfolg bald da, wie wahrscheinlich ist es, dass er sich in absehbarer Zeit einstellt?“
Dazu sagten alle Klienten sinngemäß „sehr unwahrscheinlich!“ – und doch hielten sie immer noch an der Hoffnung fest und investierten weiter Zeit, Geld und Nerven als hätten sie unendlich davon.
Verständlich ist das! Und sicher, es ist auch gut, nicht zu schnell aufzugeben und sich für das einzusetzen, was man möchte.
Doch lässt der Erfolg zu lange auf sich warten und investiert man immer mehr, stimmt irgendwann der Vergleich mit dem Spieler, der schon Haus und Hof verspielt hat und immer noch auf den großen Gewinn hofft. Der reitet sich nur immer weiter hinein.
Da läuft etwas aus dem Ruder, Stück für Stück.
Wie das passieren kann?
Da fehlt etwas! Etwas, das man von Börsenprofis lernen kann:
1. Limit setzen
2. Verluste realisieren und neu beginnen
Limit setzen
Börsen Profis limitieren ihre Verluste.
Das heißt, sie legen zu Beginn fest, wie viel Verlust sie höchstens bereit sind zu tragen.
Kostet eine Aktie 100 € und will man im schlechtesten Fall mit 40 € Verlust herausgegeben, wird ein Limit auf 60 € gesetzt. Fällt nach dem Kauf der Wert der Aktie, statt zu steigen, wird die Aktie spätestens dann verkauft, wenn Sie noch 60 € wert ist. Maximal möglicher Verlust: 40 €.
Normalanlegern fällt das oft schwer. Wir können Verluste psychisch nur schwer ertragen. Deswegen warten wir und hoffen darauf, dass die Aktie wieder steigt und sich unser Verlust in Luft auflöst. Dann ist es „doch noch einmal gutgegangen“. Wir müssen uns nicht sagen lassen wir hätten bei der Investition falsch entschieden. Allerdings: Es kann zwar passieren, dass die Aktie wieder steigt, das muss aber nicht sein. Im schlimmsten Fall riskiert man ohne Limit den Totalverlust. Das heißt: Alles ist weg. Man setzt Alles aufs Spiel, nur um sich nicht einzugestehen, dass man sich einmal falsch entschieden hat. Das ist beim Geld schon schlimm. Aber wie ist es erst, wenn es um unsere Lebenszeit geht?
Bei Limits außerhalb der Börse geht es nicht nur um Geld, sondern auch um Zeit und Engagement.
Ein Limit für eine Geschäftsidee könnte heißen: ich bin bereit 20.000 € und zwei Jahre lang mein Engagement und meine Arbeitszeit zu investieren. Dann muss es soweit sein, dass ich meinen Lebensunterhalt davon bestreiten kann oder ich lasse es.
In einer Beziehung könnte es heißen: ich bin bereit, zwei „magere Jahre“ in Kauf zu nehmen und mich für eine Verbesserung zu engagieren. Hat sich bis dahin nichts Grundlegendes getan, beende ich die Beziehung.
Zugegeben, das klingt hart. Andererseits, zum ewig unglücklich hoffenden Menschen zu werden, der sich als Opfer anderer Menschen oder der Umstände sieht, ist auch hart: Unendlich hart.
Verluste realisieren und neu beginnen
Der echte Börsenprofi lässt seinen Verlust los. Hat er die Aktie für 60 € verkauft, schaut er nicht, wie er seine 40 € wieder hereinbekommen kann. Er schaut, was er mit dem, was er jetzt hat, 60 €, am gewinnbringendsten machen kann.
Am Beispiel der Geschäftsidee heißt das: Nach den zwei Jahren wird geschaut: Ist das Ziel, den Lebensunterhalt zu verdienen, erreicht oder in unmittelbarer Nähe? Falls nicht, steht die Frage: Was will ich mit dem was ich jetzt habe ( Lebensjahre, Geld, Geschäftseinrichtungen, Erfahrungen) am gewinnbringendsten für mich tun?
Ein positives Beispiel: Manchmal kommt der Gewinn sogar direkt nach dem realisieren des Verlustes
Ein Paar, heute verheiratet und vier Kinder, erzählte mir einmal seine Gesichte:
Als junge Leute verliebten sie sich ineinander. Für SIE war klar: Ich will Kinder! ER war unentschlossen und wollte die Freiheit genießen. IHR war bewusst, dass die biologische Uhr tickt und SIE setzte irgendwann ein Limit: “ Kinder gehören zu meinem Leben dazu. Wenn du bis dann und dann dazu nicht bereit bist, werde ich mich von dir trennen, so sehr ich dich auch liebe!“
Die Zeit verging, der „Verlust“ stieg und das Limit wurde erreicht. SIE trennte sich, um einen Mann zu finden, mit dem sie ihren Wunsch von einem Leben mit eigenen Kindern erfüllen konnte.
Und SIE hatte nicht damit gerechnet, das sie ihn so schnell haben würde.
Ihre Klarheit und die Trennung hatten in IHM nämlich etwas bewirkt: Er sagt „Erst als sie mit so großer Klarheit in den Zug stieg, wurde mir bewusst, was ich hier dieser ziellosen Freiheit zuliebe gehen lasse: Meine große Liebe!“
ER läuft dem Zug nach und heute sind sie verheiratet, haben vier Kinder.
Gut dass SIE ein Limit gesetzt hat, bereit war, den Verlust anzuerkennen und neu zu beginnen.
Hätte SIE IHN einfach weiterhin nur vergeblich um ein Kind gebeten, weiter gehofft, dass er zustimmt, wie würde sie jetzt herumlaufen?
Wie wirkt ein Limit?
Alle Klienten antworteten auf meine Frage, ihr baldiger Erfolg wäre unwahrscheinlich.
Es ist eben nicht so, dass man selbst die Aussichtslosigkeit der Situation nicht spüren würde. Man nimmt sie nur nicht bewusst wahr oder verdrängt sie. Durch meine Frage kam die eigene Ansicht über die Lage ins Bewusstsein und wurde ausgesprochen. Sie lag auf dem Tisch und mit ihr mußte umgegangen werden.
Genauso wirkt ein Limit. Da klingelt sozusagen der Wecker und fragt: „Und was ist nun? Ziel erreicht?“
Ein Limit ist eine klare Grenze, die zur Bewusstheit aufruft.
Warum Verluste realisieren und neu beginnen?
Verluste realisieren heißt nicht, den verlorenen 40 € hinterherzujammern. Es heißt auch nicht, sich einzureden, der Verlust wäre ja nur vorübergehend und würde in Zukunft schon irgendwie wieder ausgeglichen werden. Wer zu sehr an dem hängt, was einmal war, kann seine Kraft nicht bündeln um weiterzugehen. Wer immer zurückschaut, stolpert leichter.
Verluste realisieren heißt: Bilanz ziehen, Kassensturz machen, schauen: Was ist jetzt (noch) da. Denn weitergehen kann es nur mit dem, was da ist.
Heißt das nun, ich muss unbedingt mein Geschäft aufgeben oder meine Beziehung beenden?
Nein. Für meine Klienten heißt es: erst einmal Bilanz ziehen, Kassensturz machen: Wo stehe ich. Was habe ich.
Und dann nach vorn zu blicken: Wie gehe ich von dort, wo ich jetzt bin, mit dem, was ich jetzt habe, am Besten weiter.
Das kann heißen: Ich gebe mein Geschäft sofort auf, verkaufe, was zu verkaufen geht und fange etwas ganz Neues an..
Oder auch: Ich investiere noch einmal und versuche es auf neue Weise.
Jedoch immer mit Limit!
Es kann auch heißen: Ich gehe aus der Beziehung.
Oder auch: Ich bleibe und versuche es noch einmal auf eine andere Art. Ich mute mir und meinem Partner zu, die Beziehung anzuschauen, mit allem was dazu jetzt in uns ist: Verletzungen, Mißtrauen, Angst aber auch Vertrautheit und gemeinsame Projekte. Und ich engagiere mich, die Beziehung in absehbarer Zeit so zu gestalten, wie ich sie mir wünsche.
Allerdings achte ich auch auf mich, meine Kräfte, meine Lebenszeit, auf meine Ressourcen. Ich setze mir ein Limit. Ist das Limit erreicht, steht eine neue Entscheidung an.
Limits setzen heißt: Selbst Verantwortung übernehmen, statt sich von den Umständen treiben lassen, selbst immer wieder bewußt zu entscheiden, wie und wohin es weiter gehen soll.
Wie handhaben Sie das? Limitieren Sie Ihre Verluste?