Selbstbestimmt oder fremdgesteuert
„Wer am Steuer steht, bestimmt den Kurs, auch wenn er das Schiff treiben lässt. Er könnte es ja in eine andere Richtung steuern, wenn er es wollte.“
Vom „Ich-muss“ zum „Ich tue das, weil ich es will“
Nicht nur im Zusammenhang mit Burnout macht es einen wesentlichen Unterschied, ob man selbstbestimmt oder fremdgesteuert lebt. Dort geht man ja davon aus, dass weniger das Maß der Arbeitsbelastung an sich belastend ist, als vielmehr das Gefühl, ob man über sich selbst bestimmt oder ob über einen bestimmt wird.
Auch Zeitmanagement-Papst Lothar Seiwert schreibt in seinem neuen Buch „Ausgetickt“ darüber, dass Menschen ihren Stress weniger dadurch reduzieren, dass sie ihre Zeit mit den neuesten Tools und Methoden managen, als vielmehr dadurch, dass Sie wissen was sie wollen und dann dementsprechend handeln – also selbstbestimmt leben.
Was heißt: selbstbestimmt Leben?
Selbstbestimmt leben heißt:
- sich bewusst sein, was einem wichtig ist
- sich entscheiden – für das Eine und damit gegen Anderes
- bereit sein, einen Preis zu zahlen – also die Konsequenzen der eigenen Entscheidung zu tragen
Selbstbestimmt Leben heißt nicht:
absolute Freiheit zu jeder Zeit oder immer das tun, was gerade Spaß macht
„Ich würde ja gern, wenn ich könnte“
Von Klienten höre ich manchmal: „Wenn ich selbst bestimmen könnte, würde ich etwas ganz Anderes tun.“ Wenn ich dann sage „Sie können ja selbst bestimmen.“, höre ich oft von Zwängen, in denen man steckt, von Verhältnissen, die man nicht ändern kann usw..
Nach dem Motto: „Ich muss diese schreckliche Arbeit tun, weil ich das Geld brauche.“ oder: „Ich muss in der Partnerschaft bleiben, wegen der Kinder.“
Manchmal sage ich dann: „Sie müssen nicht.“
„Ja soll ich denn meine Partnerschaft beenden und meine Arbeit kündigen?“
Nein! – Nicht unbedingt.
Jedes Verhalten ist sinnvoll, auch Ihres. Das heißt: Insgesamt gesehen haben Sie Vorteile davon, in den Beziehungen zu sein in denen Sie sind und das zu tun, was sie tun.
Nur: Wissen Sie, welche Vorteile das sind? Sehen Sie überhaupt (noch) die möglichen Alternativen?
In Zwängen zu stecken, fremdgesteuert zu sein, heißt: keine Alternativen zu haben.
Oder besser gesagt: den Eindruck zu haben, keine Alternativen zu haben.
Wer nur eine Möglichkeit zu handeln sieht, kann nur das Eine tun. – Allerdings: Selbst er hat eine Alternative: Er kann es auch nicht tun.
Wer früh mit dem Gedanken aufwacht, dass er jetzt gleich auf Arbeit gehen muss, sieht sich unter einem Zwang, fremdgesteuert.
Schon wenn der Gedanke hinzu kommt: „Ich kann auch liegen bleiben.“, kommt ein Stück mehr Selbstbestimmtheit hinein.
Natürlich: Alles hat seinen Preis.
Der Preis für das weiterschlafen könnte am Ende die Kündigung durch den Chef sein. Wer das nicht möchte und lieber aufsteht um seine Arbeitsstelle zu behalten, hat schon gewählt, hat selbst entschieden, hat selbst bestimmt.
Macht er sich weiterhin bewusst, warum er die Arbeitsstelle behalten will: Geld verdienen, Kredit für das Haus bezahlen und dadurch weiterhin darin wohnen können, mit der Familie am schönen Ort Leben usw. – wird aus dem Zwang noch mehr eine selbstbestimmte freie Entscheidung.
Und es geht noch besser
Bisher stand nur die Entscheidung, etwas zu tun oder zu lassen.
Was wäre, wenn es noch mehr Alternativen gäbe? – Zum Beispiel statt nur aufstehen oder nicht-aufstehen:
- aufstehen und auf die ungeliebte Arbeit gehen
- aufstehen und einen neuen Job suchen
- aufstehen und eine eigene Selbstständigkeit aufbauen
- liegen bleiben und weiter schlafen
- im Bett bleiben und Angst haben vor der Kündigung
- im Bett bleiben und Zukunftspläne schmieden
- und und und …
Wir können immer wählen, machen es uns jedoch nicht immer bewusst
Es gibt immer mindestens zwei Alternativen: Tun und lassen.
Mit etwas Kreativität sollten sich für jede Situation noch mehr Alternativen finden lassen. Zwischen Alternativen wählen heißt: Selbst bestimmen.
Natürlich: jede Wahl hat Konsequenzen. Jede Alternative kostet einen Preis – und sei es der, auf die anderen Möglichkeiten zu verzichten.
Manchmal verbieten wir es uns, über Alternativen tiefer nachzudenken
„Ich muss in meiner Partnerschaft bleiben, wegen der Kinder“ – das wird als Zwang empfunden.
Als die Klientin, von der ich diesen Satz hörte, sich erlaubte, darüber nachzudenken, sich dennoch zu trennen, fiel das erst schwer. „Was bin ich denn dann für eine Mutter.“, „Das macht man nicht.“ usw. … meldeten sich die Denkverbote.
Als sie dann jedoch näher darüber nachdachte, standen statt des Zwanges, dableiben zu müssen, auf einmal zwei Alternativen da: Dableiben und weggehen.
Welche Entspannung allein das brachte, war ihr körperlich anzusehen. Sicher: Sie saß jetzt nicht freudig lachend vor mir. Aber Sie richtete sich auf und strahlte eine tiefe Ernsthaftigkeit aus. Ein ganz anderer Anblick, als noch vor 20 min dieses vom Zwang gedrückte Wesen auf dem Stuhl.
Aus diesem Zustand der ernsthaften Selbstbestimmtheit heraus, konnte Sie dann noch weitere Alternativen entwickeln und sich später für eine Vorgehensweise entscheiden.
Was heißt das? – Wer sich fremd gesteuert und gezwungen fühlt, kann Folgendes tun:
- Sich bewusst machen: es gibt immer mindestens zwei Alternativen – tun und lassen.
- Eine der beiden Alternativen bewusst ergreifen.
„Bewusst“ meint, herauszuarbeiten:
„Alternative A hat für mich wahrscheinlich diese Vorteile und jene Nachteile und Alternative B hat jene Vorteile und diese Nachteile.“
Und: „Ich entscheide mich lieber für Alternative …“ - Wenn Zeit und Gelegenheit ist, weitere Alternativen herausarbeiten.
Wählen zwischen Alternativen heißt: selbst bestimmen.
Um das tun zu können, geht es nicht nur darum, neue Alternativen zu finden, sondern auch, sich bewusst zu machen, zwischen welchen Alternativen man (auch unbewusst) wählt – bzw. welche Alternativen man bereits unbewusst abgewählt hat.
So kann aus der nicht bewussten „Entscheidung“ eine selbstbestimmte Entscheidung werden.
Machen Sie sich bewusst, dass Sie am Steuer stehen!
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