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Familienunternehmen

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Familienunternehmen

Familienunternehmen sind sowohl sehr störanfällige als auch äußerst robuste Gebilde.
Sie verbinden Welten miteinander, die nach äußerst verschiedenen Regeln funktionieren. Das macht sie im besten Fall sehr erfolgreich, kann sie aber auch zerreißen.

Berichten Inhaber von Familienunternehmen in meiner Praxis von internen Schwierigkeiten, geht es oft um das Zusammenspiel dieser verschiedenen Regelbereiche. Der Hauptfrage dabei: Welcher Regelbereich spielt für ein anstehendes Thema vorrangig eine Rolle und in welchem Maße sollen die anderen berücksichtigt werden?

Lesen Sie hier zuerst über die drei für Familienunternehmen wichtigen Regelbereiche und weiter unten dann anhand eines Beispiels, was das für die Praxis bedeutet.

Welche Regelbereiche treffen in Familienunternehmen zusammen?

familienunternehmen
  1. Familie
  2. Unternehmen/Wirtschaft
  3. Recht

Alle drei folgen unterschiedlichen Prinzipien, sind in sich relativ geschlossen und müssen im Familienunternehmen und der Unternehmerfamilie vereinigt werden.

Einige Familienregeln

Zur Familie gehört man per Geburt, unabhängig davon, was man tut, kann oder hat, also unabhängig von Nutzen.
Gleichheit innerhalb einer Generation ist in Familien ein hohes Gut. Eltern wollen ihre Kinder gleich behandeln, egal was sie leisten.
Konflikte werden zwischen den Beteiligten durch Absprache geklärt. Regeln werden weniger festgeschriebenen und sind im Einvernehmen relativ schnell änderbar. Wichtig für das Miteinander sind persönliche Beziehungen.

Regeln in Unternehmen

Ins Unternehmen kommt man, weil man etwas hat oder kann, was das Unternehmen braucht.
Der Wert eines „Mitgliedes“ bemißt sich sich nach dem Nutzen, den es dem Unternehmen bringt.
Konflikte werden nach internen, eher festgeschriebenen Regeln oder per hierarchischer Anordnung geklärt. Das Miteinander organisiert sich durch Nutzen und kapitalverhältnisse.

Besondere Regeln im Rechtsraum

Den Rechtsraum betritt man – außer bei Offizialdelikten – durch Anrufung oder “ Einladung“ eines Konfliktpartners.
Hier entscheiden Außenstehende nach feststehenden Regeln, die von den Beteiligten (fast) nicht zu beeinflussen sind.

Beispiel Unternehmensnachfolge

Ein Heizungsbauunternehmer hat zwei Kinder. Der ältere Sohn ist nach seiner Ausbildung direkt ins Unternehmen eingetreten und ist im Laufe der Jahre zum ersten Mann nach dem Chef geworden. Er hält, persönlich haftend, 30 % der Anteile.

Die zwei Jahre jüngere Tochter hat Energietechnik mit Fokus auf Erneuerbaren Energien studiert. Schon während ihres Studiums absolvierte sie Praktika im Ausland und hat es sich, nach Ansicht der Familie, in der Welt gut gehen lassen. Nach dem Studium arbeitete sie drei Jahre in einem Unternehmen am anderen Ende Deutschlands. Sie heiratete dann einen Freund aus der Schulzeit, zog in ihrem Heimatort zurück, und bekam zwei Kinder. Während der drei Jahre Kinderzeit zuhause, bildete sie sich aus Interesse ständig weiter und brachte ihr Wissen in den väterlichen Betrieb ein. Während ihr Bruder das Tagesgeschäft managte, war sie ihrem Vater eine wichtige Partnerin für strategische Fragen geworden.

Es entstand Streit.
Der Sohn hatte den Eindruck, seine Schwester dringe in seinen Bereich ein. Er hatte treu den väterlichen Betrieb mit geführt und eigene (Ausbildungs-) Interessen zurückgestellt, während seine Schwester ein lustiges und verantwortungsfreies Leben lebte. Nun, als es ihr passte, kam sie zurück und besprach mit ihrem Vater die Zukunft des Unternehmens. Der Sohn war böse auf seine Schwester und zugleich enttäuscht vom Vater.

Die Schwester meinte, wenn des Unternehmen seine Ausrichtung nicht bald ändere und sich neuen Technologien mehr öffne, liefe es geradewegs in den Konkurs. Schuld daran wäre dann vor allem ihr Bruder, als der jüngere der beiden Männer. Dass sie am Unternehmen mit gestaltete, sah sie als völlig natürlich an, da sie ja eines der Kinder des Unternehmer sei. Ob sie direkt ins Unternehmen wolle, sei noch unklar. Sie könne sich auch eine freiberufliche Arbeit als Beraterin vorstellen. Ihr Bruder habe übrigens, während ihrer durchaus nicht immer nur schönen Ausbildungszeit, dass gesicherte Leben im Heimatort genossen und von seinem Stand als Unternehmersohn auch privat profitiert.

Der Unternehmer selbst schätzt die stetige und verlässliche Arbeit seines Sohnes. Außerdem ist er froh, mit seiner Tochter nun jemanden zu haben, die sich mit zukunftsfähigen Technologien auskennt. Er ist der Ansicht, Sohn und Tochter gemeinsam ergäben ein gutes Gespann. Da er in den Ruhestand gehen möchte, würde er am liebsten jedem von ihnen die Hälfte seiner verbliebenen Unternehmensanteile überschreiben.
Dass die beiden sich nicht vertragen, mache ihn wütend aber auch hilflos, sagt er.

So könnte man es sehen…

Aus Unternehmenssicht übernehmen Bruder und Schwester schon heute verschiedene Aufgaben. Er ist der Manager, der das Tagesgeschäft am laufen hält. Sie arbeitet zwar nicht im (Tagesgeschäft vom) Unternehmen, jedoch am Unternehmen – also mit ihrem Vater aus der Unternehmerposition heraus. Die Beziehung der Inhaber beider Positionen ist rein aus Unternehmenssicht schon konfliktbehaftet: Ist der Inhaber der Managerposition daran interesiert, dass das Tagesgeschäft gut und ohne Störung durchläuft, sorgt der Inhaber der Unternehmerposition immer wieder für Störungen, indem er die Weiterentwicklung des Unternehmens vorantreibt, Altes in Frage stellt und Neues einbringt.

Aus familiärer Sicht sollten beide Geschwister gleichbehandelt werden, im Idealfall in gleicher Position mit gleichen Unternehmensanteilen ausgestattet sein.
Sollte einer allein das Unternehmen bekommen, müsste aus familiärer und (erb-)rechtlicher Sicht der andere ausgezahlt werden, was aus Sicht des Unternehmens den Ruin bedeuten würde.

Rein aus Unternehmenssicht wäre für den Unternehmer die Entscheidung klar: Die Tochter als Inhaberin gestaltet das Unternehmen von außen, dass der Sohn als Manager innen am Laufen hält.
Entgegenstehen sieht er dem, dass dann die Tochter, als die Jüngere, über dem älteren und schon länger im Unternehmen weilenden Sohn stünde.

Hinzu käme die Frage der Anteile: Er, der Vater, hält noch 70 %. Gibt er jedem seiner Kinder die Hälfte, hält sein Sohn dann 65 % und seine Tochter (die gewünschte Inhaberin) nur 35 % . Verteilt er seine Anteile so, dass jedes seiner Kinder 50 % hält, sähe er die bisherige Leistung seines Sohnes, inklusive der Mithaftung, nicht genug gewürdigt.

Aus familiärer Sicht allein gibt es keine Schwierigkeiten: Jedes der Kinder bekommt die Hälfte der verbliebenen 70%. Die schon jetzt vom Sohn gehaltenen 30% sind der Ausgleich für seine bisherige Mitarbeit und vor allem die Mithaftung. Wer wieviel im Unternehmen mitarbeitet, sollen die Beiden je nach Bedarf vereinbaren.

Keine schnellen und eindeutigen Lösungen.

Schwierig wird die Entscheidung durch die Überlagerung der beiden Regelbereiche Unternehmen und Familie sowie den indirekt mitwirkenden rechtlichen Bereich. Dieser spielt zwar direkt nur eine Rolle, wenn eines der Kinder zum Gericht geht, je ungerechter die Entscheidung des Unternehmers für einen der beiden anderen Bereiche jedoch von einem der beiden Kinder empfunden wird, umso größer ist die Gefahr dafür. Die Regeln dieses Bereiches müssen deshalb bei der Entscheidung unbedingt auch mit einbezogen werden.

Hier gibt es keine schnellen und eindeutigen Lösungen!
Lösung kann hier entstehen durch den Austausch aller Beteiligten, die Sensibilisierung für die verschiedenen Regelbereiche, die gegenseitige Achtung der verschiedenartigen Leistungen (z.B. „Treue“ versus „Innovationsfähigkeit“) sowie die Unterscheidung zwischen persönlichen Konflikten (z.B. Bruder-Schwester) und Rollenkonflikten (z.B. Unternehmer-Manager).

Die Chance für eine gute Klärung besteht in der Potenzierung der guten Möglichkeiten und damit überdurchschnittlichem Unternehmenserfolg. Eine Gefahr besteht in der zu geringen Beachtung der Bedürfnisse eines/einer Beteiligten und damit der eskalierende Schritt in den Rechtsraum. Die Klärung erfolgte dann durch Außenstehende und nach nicht mehr von den Beteiligten zu beeinflussenden Regeln – oft gleichbedeutend mit dem Verkauf oder der Zerschlagung des Unternehmens.

Ein Weg zur Lösung wäre,…

…Außenstehende schon vor einer Eskalation beratend zur Konfliktlösung hinzuzuziehen. Ist dies jedoch schon für Unternehmen an sich eine Herausforderung, ist es für Familienunternehmens-Familien oft ein besonders großer Schritt, da er den Regeln familiärer Konfliktlösung („Das geht keinen etwas an. Wir machen das unter uns!“) widerspricht.

Diesen Schritt dennoch zu gehen erleichtert Unternehmerfamilien oft die Einsicht, dass sie durch den Einfluss dreier Regelbereiche auch objektiv in einer besonders schwierigen Situation sind.

Das Hilfe-von-außen-holen steht dann nicht mehr für das Eingeständnis familiären oder unternehmerischen Scheiterns, sondern wird deutlich als professionelle Handhabung einer äußerst komplexen, objektiv schwierigen, Situation wahrgenommen.

Übrigens: Auch Angestellte in Familienunternehmen berichten davon, dass für sie die stärkere Wirkung familienüblicher Regeln im Unternehmen spürbar ist.