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Der Unterschied von Impuls und Handlung

Lebenswert Blog

Der Unterschied von Impuls und Handlung

Innere Impulse haben wir viele. Nicht alle setzen wir in Handlungen um. Zum Glück!
„Busfahrer setzt Kind an Haltestelle aus – Der Zehnjährige wurde aus dem Bus geworfen, weil er Appetit auf Chips hatte.“
schreibt die sächsische Zeitung am 1. September 2010.

Wie geht es Ihnen, wenn Sie die Überschrift lesen? Sind sie auch sofort auf der Seite des Kindes und seiner Eltern? „Das ist doch unerhört. Nur weil er Appetit hat, wird er aus dem Bus geworfen!“

Beim weiteren Lesen stellt sich die Geschichte dann etwas anders dar: Ein Junge fährt im Bus. Er isst Chips, obwohl im Bus das Essen nicht erlaubt ist. Der Busfahrer meint, der Junge hätte die Chips sogar herumgeworfen und schließt ihn von der Weiterfahrt aus. Und, die Eltern sind empört und denken sogar an eine Klage.

Während die Überschrift suggeriert, der Junge wäre wegen eines inneren Impulses oder eines Bedürfnisses vor die Bustür gesetzt worden, zeigt der Rest des Artikels: Er hatte unzulässig gehandelt.
Und das ist ein wichtiger Unterschied! – Der Unterschied zwischen Impuls und Handlung.

Impulse sind Vorläufer von Handlungen – manchmal.

Innere Impulse haben wir viele. Wichtig ist, wie wir damit umgehen.

Hatten sie auch schon den Impuls, nachts bei leerer Straße trotz roter Ampel weiterzufahren? – Solange Sie nur den Impuls hatten, hätte auch die Polizei neben Ihnen stehen können. Es wäre Ihnen nichts passiert. Hätten Sie diesen Impuls jedoch in Handlung übersetzt, hätte das unangenehme Folgen für Sie haben können.

Wer Impulse und Handlungen gleichsetzt, begibt sich auf den Entwicklungsstand ganz junger Kinder. Neugeborene Handeln noch sehr impulsiv. Das heißt, sie setzen einen inneren Impuls sofort in Handlung um, ohne abzuwägen, welche Folgen daraus für sie und ihre Umwelt entstehen. Wie sollen sie auch abwägen. Sie müssen ja erst Erfahrungen sammeln.

Im Laufe der Entwicklung zum erwachsenen Menschen weitet sich die Wahrnehmung für die Folgen des eigenen Handelns in der Umwelt und im zeitlichen Bezug. Wir lernen abzuschätzen wie das, was wir tun unsere Umwelt und auch die eigene Zukunft beeinflusst. Wir übernehmen Verantwortung.

Es stimmt: Impulse kommen einfach. Sie sind da und wir müssen etwas damit tun.
Was wir mit unseren Impulsen tun, steht jedoch in unserer Verantwortung. Wir können Sie 1 zu 1 umsetzen. Wir können sie verändert umsetzen. Wir können Sie aufschieben und manchmal sogar ignorieren. Auf jeden Fall läßt sich sagen: Erwachsene Menschen bestimmen, wie sie mit ihren Impulsen umgehen.

Erwachsene, denen das schlecht gelingt, werden manchmal zum Impulskontrolltraining geschickt, zum Beispiel Menschen, die ihre aggressiven Impulse in Gewalttätigkeit umsetzen. Und auch da gilt: Der aggressive Impuls allein ist nicht strafbar. Den haben wir alle gelegentlich, wenn wir emotional gesund sind. In welche Handlung wir ihn dann umsetzen, das macht den Unterschied.

Impulse sind wichtig!

Wir brauchen unsere Impulse. Sie zeigen uns Bedürfnisse an, geben eine Handlungsrichtung und auch Energie. Impulse sind wichtig. Jedoch unreflektiert nur aus den eigenen Impulsen heraus zu agieren, sie 1 zu 1 in Handlung umzusetzen, ist als Erwachsener unangemessen. Normalerweise entscheiden wir mit unserem Verstand und unserer Erfahrung, wie wir mit unseren Impulsen im Augenblick umgehen.

Zum Beispiel: Den Impuls, einen unangenehmen Kunden aus der Tür zu werfen, setzen wir um, indem wir freundlich das Gespräch beenden oder noch ein letztes Angebot unterbreiten.
Bevor wir dem Impuls, einen Mitarbeiter zu tadeln, nachgeben, überlegen wir kurz, ob dies wirklich dazu führt, in Zukunft eine bessere Arbeitsleistung zu bekommen oder ob es nicht zielführendere Wege gibt.
Bevor wir in einem häuslichen Streit die Stereoanlage aus dem Fenster werfen, lassen wir uns einfallen, dass eine zerbrochene Tasse auf dem Fußboden wesentlich billiger ist.

Und wie gehen Sie mit Ihren Impulsen um?

Sind ihre Impulse für Sie da, im Sinne eines Anzeigers für Bedürfnisse und Handlungsmöglichkeiten? Entscheiden Sie, wie Sie mit ihren Impulsen umgehen?
Oder lassen sie sich von ihren Impulsen bestimmen? Bestimmen ihre Impulse was sie tun?

Wer ist der Herr im Hause?
Wie erwachsenen sind sie?

Und nun zum Jungen und seinen Eltern

Ich glaube nicht, dass es im Sinne des Jungen und seiner Entwicklung zum verantwortungsvollen Erwachsenen ist, wenn ihm die Eltern das Signal gäben, er hätte richtig gehandelt und der Busfahrer hätte Schlimmes getan.

Der erste Schritt zur Eskalation laut Zeitungsbericht ist: Der Junge hat seinen Impuls Chips zu essen in eine nicht angemessene Handlung umgesetzt. Er hat gegessen, obwohl er sich in einem Bus aufhielt, dessen Eigentümer das Essen darin nicht erlaubte.

Ein 10-jähriges Kind sollte seinen Impuls zu essen durchaus eine Weile aufschieben können. Das wird es allerdings nur tun, wenn es weiß, dass essen in diesem Falle eine unangemessene Handlung darstellt, die für seine Umwelt und letztendlich es selbst, Folgen hat, die schwerer wiegen, als der kurzfristige Gewinn des Appetitstillens.

In diesem Sinne könnte die ( vielleicht übermäßige ) Reaktion des Busfahrers dem Jungen eine wichtige Lernerfahrung bringen: Sofort dem Appetit nachgeben lohnt sich nicht immer. Manchmal ist es sinnvoller abzuwarten.

Wenn die Eltern ihrem Kind durch einseitige Parteinahme diese Einsicht verbauen, tun sie ihm keinen guten Dienst. Dann könnte die Lernerfahrung des Jungen lauten: Es lohnt sich, seinen Impulsen sofort nachzugeben, auch wenn das im Augenblick gegen die Regeln verstößt, denn danach gibt es jede Menge Aufmerksamkeit und Zuwendung von den Eltern.

Ein Schritt zum erwachsenen und verantwortungsbewussten Menschen wäre das wohl eher nicht.